Pädagogik, die sich am Menschen orientiert
Waldorfpädagogik ist kein System, dass man lernen und dann „ausüben“ kann. Sie ist in keinem Buch und in keinem Bücherregal zu finden, sondern sie entsteht täglich neu im Handeln jedes Einzelnen. Dies ist oft missverstanden worden, aber es kann eigentlich nicht anders sein, wenn der junge Mensch nicht nach vorgefassten Prinzipien behandelt werden soll.
„Das erste, um was es sich bei einer auf Menschenerkenntnis begründeten Pädagogik handelt, wie es die Waldorfschul-Pädagogik zum Beispiel ist, das ist nicht, Regeln anzugeben, so oder so solle man erziehen, sondern das erste ist, die Seminarkurse so zu halten, dass man die Herzen der Lehrer findet, dass man diese Herzen insoweit vertieft, dass aus ihnen heraus die Liebe zum Kinde erwächst. Die glaubt ja ein jeder natürlich sich andiktieren zu können. Aber diese andiktierte Menschenliebe kann ja nichts leisten; sie könnte vielen guten Willen haben, aber kann nichts leisten. Etwas leisten kann erst diejenige Menschenliebe, die aus einem vertieften Beobachten im Einzelfalle vorgehen kann.“ Rudolf Steiner, 18.07.1924, GA 310 (1989), S. 37 f.
Erziehung durch Vorbild und Selbsterziehung
Das Kind und der Jugendliche sind werdende Menschen mit dem verborgenen Ziel, einmal eigenständig und tatkräftig zu den sozialen Gegebenheiten einen positiven Beitrag zu leisten. Daraus ergeben sich für die Erziehenden Aufgaben. Es geht darum, dem Kind durch unser eigenes Vorleben (Nachahmung), durch unser klares, erwachsenes Wissen und Lieben (Autorität) und durch unser eigenes Streben nach dem Guten, Besseren, Höheren (Ideal) deutlich zu machen, um welche Werte es in einem menschlichen Leben geht.
Geschichte der Waldorfpädagogik
1907 veröffentlicht Rudolf Steiner einen Aufsatz mit dem Titel „Die Erziehung des Kindes vom Gesichtspunkt der Geisteswissenschaft“. Damit beginnt konkret die Entwicklung der pädagogischen Grundlagen für das, was später Waldorfpädagogik wird. In den folgenden Jahren baut Rudolf Steiner in unzähligen Vorträgen quer durch Europa sein Menschenbild auf, das dann die Bezeichnung Anthroposophie erhält. Die deutsche Umschreibung dieses Wortes könnte man mit Weisheit oder Wissen vom Menschen, von seinem geistigen Ursprung und seiner geistigen Zielsetzung umschreiben. In einer Zeit, in der die materialistische Weltanschauung eine immer stärker werdende Dominanz bekam, betonte Steiner die Eigenständigkeit der geistigen und seelischen Komponente im Menschenwesen.
Internationale Waldorfbewegung
Wenn auch die Waldorfschulen ihren Ursprung in Deutschland haben, so hat sich nach dem Zweiten Weltkrieg die Idee der Waldorfpädagogik über die ganze Welt verbreitet. Heute sind es international über 1000 Schulen in allen Teilen der Welt. Oftmals sind es auch Schulen, die über die Grenzen eines Volkstums hinweg arbeiten, was grundsätzlich der Waldorfpädagogik entspricht.
Als Dachorganisation gibt es den Bund der Freien Waldorfschulen, der vor allem die deutschen Schulen koordiniert.
Die „Freunde der Erziehungskunst Rudolf Steiners“ bemühen sich um Patenschaften, Freiwilligendienste und Spenden für ausländische Schulen, die im allgemeinen keine staatlichen Unterstützungen bekommen und oftmals kaum existieren können, wenn sie nicht aus Europa Hilfe erhalten.
Auf internationaler Ebene findet Forschung und Lehrerausbildung in der pädagogischen Sektion der Freien Hochschule für Geisteswissenschaft in Dornach/Schweiz statt.